Burkhard Spinnen: Das Buch. Eine Hommage
Pferde und Bücher
«Nach 1900 verschwand das Pferd, in historischem Zeitmaß betrachtet, binnen eines Augenblicks» (S. 12). Burkhard Spinnen hat Ulrich Raulffs Das letzte Jahrhundert der Pferde gelesen und erkennt darin Parallelen zum gedruckten Buch. Noch kann sich kaum jemand vorstellen, dass dieses ebenso wie das Pferd als Zivilisationsbegleiter verschwinden könnte, aber wer weiß?
Statt pro oder contra zu plädieren, zählt Burkhard Spinnen auf, «was ich verlieren werde, falls das Buch mich einmal verlassen sollte […] Ich werde mich […] all den wunderbaren Selbstverständlichkeiten widmen, mit denen ich und wir alle in der Buchkultur leben. All dem, was so vertraut ist, dass man es erst ganz erkennt, wenn es einem fehlt» (S. 15). Er erinnert sich, erzählt, denkt nach, fabuliert; klug, pointiert und sehr persönlich.
In fünf Themenbereiche gliedert er seine Überlegungen. Die Kapitel heißen Vom Ganzen, Vom Körper, Vom Gebrauch, Vom Beruf und Die Bücherversammlung. Von richtigen, falschen, schönen und alten Büchern ist da die Rede, von verschenkten, zurückgelassenen, verbotenen, gestohlenen und misshandelten. Dabei unterscheidet der Leser Burkhard Spinnen fein zwischen Buchkunst und Buchkunstwerk. Buchkunst scheint ihm «ein Ausdruck von Respekt vor dem Text zu sein», also «wohl die Kunst, das Gegenständliche am Buch dem Geistigen darin gerecht werden zu lassen» (S. 29); demgegenüber schätzt er die Kunstfertigkeit, die Bücher «verklebt, zersägt, arrangiert, zerfleddert» und zu Buch-Skulpturen drapiert – und sei es noch so phantasievoll und originell –, nicht besonders (S. 102).
Was er hingegen mag: Bücherversammlungen. Die Rede ist da zum Beispiel von der öffentlichen Bibliothek als Sinnbild für Aufklärung und Demokratisierung der Lebensverhältnisse, worüber er aber nichts wusste, als er im Alter von neun Jahren seinen Leseausweis für die Stadtbibliothek Mönchengladbach überreicht bekam. Gedanken über die Privatbibliothek, zumal die erste eigene, führen zu Fragen über Funktion und Rolle von Bücherbesitz. Die Bibliothek als Vorratsspeicher, als Statussymbol? In der Buchhandlung, im Archiv, im Antiquariat, im Regal?
Wo immer Bücher und Menschen zusammenleben, Burkhard Spinnen hat auch ein Herz für Sammler, die gar nicht (mehr) lesen: «Sammeln heißt Ordnung schaffen, indem man zusammenstellt, was man selbst für zusammengehörig hält. Und das ist, solange man für seine Sammlung nicht stiehlt oder mordet, nicht die schlechteste Beschäftigung des Geistes.» (S. 122).
Der Dank des Autors gilt am Ende seinen Verlegern Ida und Klaus Schöffling, denen er das Buch widmet. Die Leserschaft möge sich ihm anschließen, denn dieses handschmeichlerisch-handliche, mit schwarz-weißen Schabkarton-Bildern von Line Hoven illustrierte Bändchen bereitet große Lesefreude!
Silvia Werfel
Im Detail
Burkhard Spinnen: Das Buch. Eine Hommage
Mit Illustrationen von Line Hoven
Frankfurt am Main: Schöffling & Co. 2016
144 S., Festeinband, Umschlag; 11 x 19,5 cm; Lesebändchen. 15 €
(Die Kurzfassung dieser Buchvorstellung ist in der Wandelhalle für Bücherfreunde 2016-2 erschienen.)