Chronik

Die Gesellschaft der Bibliophilen

1899 gegründet, ist die Gesellschaft der Bibliophilen, kurz GdB, die älteste der deutschen für die Buchkultur aktiven Vereinigungen. Keimzelle war die seit März 1897 im Bielefelder Verlag Velhagen & Klasing neu erscheinende Zeitschrift für Bücherfreunde. Der Schriftsteller Fedor von Zobeltitz (1857–1934) war der Initiator und fungierte auch als Herausgeber. Der Erfolg des Projekts führte zwei Jahre später zur Gründung des Vereins, der schnell eine große Zahl an Mitgliedern gewann. Es handelte sich dabei laut Satzung um den «Zusammenschluss aller Bücherfreunde zur gegenseitigen Förderung ihrer Interessen». Konkretisiert wurde das in Artikel 9, wo es heißt, dass «je nach Maßgabe der verfügbaren Mittel» für die Mitglieder «geschmackvoll ausgestattete» Publikationen herausgegeben werden sollten.

Der Eintrag ins Vereinsregister der Stadt Weimar erfolgte 1905, weil dort die Geschäftsstelle ihren Sitz hatte. Anders als vielfach zu lesen, ist Weimar aber nicht der Gründungsort der Gesellschaft.

 

Heft 1, Ausgabe April 1899

Georg Witkowski (© Lehmstedt Verlag Leipzig)

Besonders verdienstvoll wirkte in der Anfangszeit Georg Witkowski (1863–1939) für die Gesellschaft der Bibliophilen. Der Literaturhistoriker und Goetheforscher gehörte zu ihren Gründern und war ab 1908 auch Redakteur der Zeitschrift für Bücherfreunde, seit 1909 Mitherausgeber. Als Stellvertretender Vorsitzender bestimmte er von 1901 bis 1932 das Programm und die Entwicklung der GdB entscheidend mit. Zu den wichtigen Veröffentlichungen der ersten Jahrzehnte zählen neben literaturhistorisch bemerkenswerten Drucken etwa der von Rudolf Kautzsch herausgegebene Aufsatzband Die neue deutsche Buchkunst (1902), das Deutsche Anonymen-Lexikon von Holzmann und Bohatta (1902–1928) und der Sammelband Bibliophile Novellen (1934). Julius Rodenberg verzeichnet in seinem 1931 erschienenen Band Deutsche Bibliophilie in drei Jahrzehnten 1898–1930 die in diesem Zeitraum publizierten Drucke der 27 deutschen bibliophilen Vereinigungen; besonders breiten Raum nimmt mit sechzig Seiten die Publikationstätigkeit der GdB ein. Für die Zeit nach 1950 seien hervorgehoben Pablo Picasso als Buchkünstler von Abraham Horodisch (1957), die Erinnerungen der Antiquare Fritz Homeyer (1961) und Martin Breslauer (1966) sowie Der Büchersammler von Ludwig Bielschowsky (1972).

Fedor von Zobeltitz

Die Teilnahme an den seit 1901 regelmäßig durchgeführten Jahresversammlungen ermöglichte den Erfahrungsaustausch von Kennern und Sammlern, Gelehrten und Laien, Bibliothekaren und Antiquaren und wurde auch mit zusätzlich gestifteten Gaben belohnt. Vorsitzender war bis 1934 Fedor von Zobeltitz, auf ihn folgte der Dichter Börries Freiherr von Münchhausen (1874–1945).

Nach Einstellung der Zeitschrift für Bücherfreunde durch ihren Verleger wurde 1935 gemeinsam mit der Maximilian-Gesellschaft das von Ernst Hauswedell und Siegfried Buchenau herausgegebene Jahrbuch Imprimatur als maßgebliche und den unterschiedlichen Interessen dienliche Jahresgabe übernommen. Seit 1945 führt es die Gesellschaft der Bibliophilen als alleiniger Herausgeber fort, bis zur Gegenwart. Dem Dichter Rudolf Alexander Schröder (1878–1962), der 1947 bis 1960 den Vorsitz inne hatte, folgten unter anderem der Maler Emil Preetorius (1883–1973), der Schriftsteller Herbert Günther und andere Geisteswissenschaftler; mit Eberhard Dünninger war von 1989 bis 2002 der Generaldirektor der Bayerischen Staatlichen Bibliotheken Vorstandsvorsitzender, nach ihm bis 2015 der Literatur- und Buchwissenschaftler Reinhard Wittmann. Seit 2015 führt Annette Ludwig, Direktorin des Gutenberg-Museums (2010–2022) und ab 2022 Direktorin der 21 Museen der Klassik Stiftung Weimar, den Vorstandsvorsitz.

Die jährlichen Mitgliederversammlungen wurden im Laufe der Zeit zu mehrtägigen Jahrestreffen in wechselnden deutschen Städten ausgebaut. 1200 Mitglieder verzeichnete die Gesellschaft nach dem Ersten Weltkrieg – eine Höchstzahl, die nie wieder erreicht wurde.

Durch alle Zeitläufte hindurch gleich geblieben ist die Zielsetzung, die aktuelle Satzung formuliert es so: «Die Gesellschaft will zur Entfaltung einer lebendigen, schöpferischen Bibliophilie beitragen. […] Durch ihre Aktivitäten sollen Buchkunst und das Verständnis für das gute und schöne Buch gestärkt und verbreitet werden.» Zu den Aktivitäten gehört weiterhin die Herausgabe des nunmehr alle zwei Jahre erscheinenden, vielfach durch die Stiftung Buchkunst ausgezeichneten Jahrbuchs Imprimatur. Hier werden alle Gebiete der Bibliophilie und Buchkunst behandelt; die Buch-, Zeitschriften- und Bibliotheksgeschichte genauso wie Themen zur Buchgestaltung und -herstellung oder Literaturgeschichte. Seit 1937 wird es vom Nachrichtenblatt Wandelhalle der Bücherfreunde begleitet. Das heute noch verwendete Signet der GdB stammt aus dem Jahr 1950. Entworfen hat es der Schrift- und Buchkünstler Hermann Zapf (1918–2015). Er war von 1950 bis 1955 Schriftführer (Sekretär) der Gesellschaft.

Festessen im Uhlenhorster Fährhaus am 1. Oktober 1927

Höhepunkt im bibliophilen Kalender bleiben die Jahrestreffen, die stets am Fronleichnamsdonnerstag beginnen und mit der Montagsexkursion enden. Die Bibliophilen sind in Bibliotheken, Museen und Privatsammlungen gern gesehene Besucher; schön und wichtig ist neben den Besichtigungen und Erkundungen  vor allem der persönliche Austausch. Gäste sind stets willkommen.

«Im Zeitalter der Rotations-Taschenbücher kam der Bibliophile leicht dazu, für ein vorzeitliches Wundertier gehalten zu werden», schrieb Christian Otto Frenzel 1954 in der ZEIT – und heute? Handelt es sich um eine aussterbende Spezies? Nein, durchaus nicht! Die Szene ist lebendig, auch jüngere Mitglieder nehmen regen Anteil. Ohnehin könnte eine neue Blüte nahen: denn was hilft besser gegen den allgegenwärtigen «digitalen Burnout» als das Lesen eines Buches? Die vertiefende Lektüre von Romanen propagiert ganz aktuell der Informatiker und Autor Alexander Markowetz und erkennt bereits einen «Gegentrend zum Digitalen und Schnellen» (boersenblatt.net vom 3. Juni 2018). Umso heilsamer ist das Ganze, wenn es sich zudem um gut gestaltete Bücher handelt, durchaus auch älteren Datums.

Einzelheiten über die Entwicklung der GdB seit ihrer Gründung, über die vielfältigen Leistungen und die mitwirkenden Persönlichkeiten sind hier zu erfahren:

Peter Neumann

Hundert Jahre Gesellschaft der Bibliophilen 1899 bis 1999.
Bericht und Bilanz.
München: Gesellschaft der Bibliophilen e.V. 1999
208 Seiten, Abbildungen, Festeinband (Halbleinen) mit Lesebändchen, 18,5 x 24,3 cm. 25 €
Berichtigungen und Ergänzungen bis ins Jahr 2017 in:
Wandelhalle für Bücherfreunde 2017 Frühjahr
(beides zu beziehen über die Geschäftsstelle)

Julius Rodenberg

Deutsche Bibliophilie in drei Jahrzehnten.
Verzeichnis der deutschen bibliophilen Gesellschaften und der ihnen gewidmeten Gaben 1898–1930.
Hrsg. v. d. Deutschen Bücherei. Leipzig: Gesellschaft der Freunde der Deutschen Bücherei 1931. 252 S. Zur GdB siehe S. 1–62.