Blick ins Buch

Bernhard Hampp: Bayern erlesen!

Streifzug durchs Bücher- und Leseland Bayern

«Bayern ist ein Kulturstaat» – so heißt es in der Verfassung des Freistaates Bayern, an eine lange und fruchtbare Tradition, an ein reiches Erbe erinnernd, zugleich aber einen fortwährenden Auftrag beschreibend. Unbestreitbar sind Bücher- und Leseorte für diese kulturelle Ausprägung bedeutsam geworden und geblieben. Sie schaffen Lebensfreude und Lebenssinn, stiften Identität, kultivieren – im eigentlichen Wortsinn – das Land. Mit seinen «Geschichten» über das «Bücherland Bayern» (Klappentext) nimmt Bernhard Hampp in diesem Sinn einen «erlesenen» Gegenstand in den Blick. Er führt den Leser – und nicht nur den im Titel angesprochenen Literaturfreund und Bibliophilen – in Schatzkammern des Wortes. Bunt und abwechslungsreich präsentiert sich dieses Bücherland, selbst in der notwendigen, sicherlich auch von eigenen Vorlieben geprägten Beschränkung auf 55 Orte wird der Reichtum der bibliophilen Schätze ersichtlich. In vier Kapiteln (München und der Süden, Augsburg und der Westen, Regensburg und der Osten, Nürnberg und der Norden) verläuft die Reise quer durch die bayerischen Regionen, von Tegernsee in Oberbayern ins oberfränkische Staffelstein,  von Lindau am Bodensee nach Waldsassen in der Oberpfalz.

Einmal mehr wird deutlich, wie sehr der Reichtum des «Kulturstaats» aus der historisch gewachsenen Vielfältigkeit des Freistaats lebt. Nicht fehlen dürfen in dem Brevier natürlich die staatlichen Bücherhorte, wie etwa die Münchner Staatsbibliothek, bereits 1558 von einem kunst- und kultursinnigen Herzog gegründet, die der Autor als «Bayerns Bücherherzkammer» rühmt. Vom Stellenwert klösterlicher Büchersammlungen künden nicht nur das einem französischen Kanoniker des 12. Jahrhunderts zugeschriebene, im Mittelalter geläufige Wortspiel, dass ein Kloster ohne Bibliothek wie eine Burg ohne Waffenkammer – mithin fast nutzlos – sei, sondern auch die prachtvollen Bibliothekssäle der Barockzeit, denen die Besucher noch heute in Waldsassen, Ottobeuren, dem «schwäbischen Escorial» (S. 69), St. Mang in Füssen oder Metten, dessen Bild das Cover ziert, begegnen können.

Fündig werden Bücherfreunde aller Art in vielen größeren oder kleineren Spezialbibliotheken, etwa in der Internationalen Jugendbibliothek in München-Obermenzing, idyllisch untergebracht in einem ehemaligen Jagdschlösschen der Wittelsbacher, oder in der Bibliothek des Germanischen Nationalmuseums, der größten Sammlung zur Kulturgeschichte des deutschen Sprachraums. (Forschende) Begegnungen mit literarischen Geistesgrößen werden in Gedenkstätten, Literaturhäusern und -archiven möglich, etwa in Sulzbach-Rosenberg (wo unter anderem die erste Schreibmaschinenfassung von Günter Grass’ Blechtrommel zu bestaunen ist), in Augsburg (Bert Brecht), Bamberg (E.T.A. Hoffmann), Bayreuth (Jean Paul), Coburg-Neuses (Friedrich Rückert), Ingolstadt (Marieluise Fleißer) oder Oberschwarzach (Erich Kästner). Im Geburtshaus der Emerenz Meier im Dorf Schiefweg gilt es eine Dichterin aus dem Bayerischen Wald (wieder) zu entdecken, die als mutige, selbstbewusste und widerständige Frau an ihren verschiedenen Lebensorten kein Glück fand. Spannende Bücher- und Literaturorte erwarten den Besucher weiterhin im Irrhain des Pegnesischen Blumenordens, einer in der Barockzeit gegründeten, noch heute existierenden Dichtergemeinschaft, in Nürnberg oder – für den Liebhaber mittelalterlicher Literatur – im Lusamgärtlein in Würzburg (Walther von der Vogelweide) oder in den Museumsräumen im alten Rathaus zu Wolframs-Eschenbach, die dem Verfasser der Versromane Parzival und Willehalm gewidmet sind; eine kleine Notiz am Rande: Der mittelfränkische Ort dürfte auch für Fans des Räuber Hotzenplotz anziehend wirken, wurde doch hier 1974 die Verfilmung von Otfried Preußlers Kinderbuch gedreht (S. 135). Und wer nach all den literarischen Wanderungen Lust verspürt, seine eigene Bibliothek um neue Schätze zu erweitern, findet ebenfalls ‹Lesefutter›, nämlich mit Beschreibungen wichtiger Antiquariate und Auktionshäuser in Bayern oder dem «Schnäppchenparadies für Bücherjäger»: dem Gröbenzeller Bücherflohmarkt.

Das Buch ist mit flotter Feder geschrieben, die Geschichten bieten Spannendes, Überraschendes, mitunter Kurioses, stimmungsvolle Farbfotos vergrößern das Lesevergnügen noch zusätzlich. Kurzum: Ein kenntnisreicher Streifzug durch das Bücher- und Leseland Bayern, ein Gewinn für Bibliophile, Literaturfreunde und alle, die es danach sein werden.

Manfred Knedlik

Im Detail

Bernhard Hampp Bayern erlesen!
Für Literaturfreunde und Bibliophile

Meßkirch: Gmeiner 2018

192 S., viele Farb-Abb., Festeinband mit Schutzumschlag, 17 x 24 cm. 25 €
(Download als ePub oder PDF 19,99 €)

Weitere Bände dieser Reihe für Literaturfreunde und Bibliophile von Bernhard Hampp:
Schwaben erlesen! 2017
Baden erlesen! 2019
Berlin erlesen! 2021

Gertrud und Joachim Steiger: Hessen erlesen! 2020