Ein Bericht von Peter Neumann
«Auch müde laufen kann man sich in Köln so gut als in Paris und Berlin», meinte schon Johanna Schopenhauer im Jahre 1828. Und Joseph Roth schrieb 1923, «sie ist lauter, als sie sein müsste; hastiger, als ihr zusteht; sie übertönt die Ehrfurcht, die der Fremde von ihr empfindet». Das mögen sich auch die Teilnehmer der diesjährigen Tagung im Juni gedacht haben. Lange Wege, quer durch die lebendige Stadt, aber was für welche: am Ufer des Rheins entlang, am Römerturm, an romanischen Kirchen und am gotischen Dom vorbei. So war es auch ein Treffen mit vielerlei Aspekten, genügend für Anschauung und Belehrung bietend. Die Universitäts- und Stadtbibliothek (USB), vertreten durch ihren Direktor Prof. Dr. Wolfgang Schmitz, und die Bibliophilen-Gesellschaft Köln, vertreten durch unser Mitglied Hanns Georg Schmitz-Otto, hatten eingeladen, nach fast fünfzig Jahren endlich die Domstadt einmal erneut zu besuchen, eingedenk der sehr engen Beziehungen, die zwischen den beiden bibliophilen Vereinigungen seit jeher bestanden haben. Auf diese Kontakte verwies unser Vorsitzender Prof. Dr. Reinhard Wittmann beim Begrüßungsabend im «Roten Ochsen».
Der erste Tag (12.6.) begann sogleich mit dem Besuch der Erzbischöflichen Diözesan- und Dombibliothek. Bereitgelegt hatten Prof. Dr. Siegfried Schmidt und Harald Horst eine kleine, aber exzellente Auswahl der dort vorhandenen 400 mittelalterlichen Handschriften, die bis in das 8. Jahrhundert zurückreichen, als Spitzenstück den zwischen 1010 und 1020 entstandenen Hillinus-Codex. Diese aus der alten Dombibliothek stammenden Schätze aus karolingischer und ottonischer Zeit, speziell die Arbeiten Kölner Schreiber und Illuminatoren waren dann Gegenstand des sonntäglichen Festvortrages voller Details von Prof. Dr. Anton von Euw, einem ausgewiesenen Kenner frühmittelalterlicher Buchkunst.
In die Gegenwart führten die nächsten Stationen. Zunächst als Übergang zum Handel mit alten Büchern. Denn in den Räumen des Auktionshauses Venator & Hanstein berichtete dessen Geschäftsführer, unser Mitglied Karl-Heinz Knupfer, über die Entwicklung des Antiquariatsbuchhandels und Auktionswesens, beschenkte seine Zuhörer mit dem kleinen Faksimiledruck eines witzigen Catalogus.
Dann teilten sich die Interessen: eine Gruppe ließ sich von Markus Schäfer in der Stadtbibliothek das im Rahmen der Abteilung LiK (Literatur in Köln) getreulich aufgebaute Arbeitszimmer des Schriftstellers Heinrich Böll zeigen, auch eine Folge von vierzig Plakaten mit Fotos und Dokumenten desselben Autors, die darüber hinwegtrösten, dass die im untergegangenen Stadtarchiv verwahrten Originale zwar zum Großteil gerettet sind, doch in schlechtem Zustand. Die andere Gruppe besuchte die Werkstatt des Pressendruckers Eduard Prüssen, bekannt seit den sechziger Jahren durch seine Donkey-Presse, der Proben seiner graphischen Arbeiten und Pressendrucke vorwies. Beschlossen wurde dieser erste Tag durch die Eröffnung einer Ausstellung des regionalen Schriftstellers Ludwig Mathar (1882–1958) in der USB, bei der man im Vortrag von Prof. Dr. Gertrude Cepl-Kaufmann leider wenig über dessen Beschreibungen des Rhein- und Mosellandes erfuhr, sondern Reisebilder aus Italien von 1926 nahe gebracht bekam.
Der zweite Tag (13.6.) begann mit den üblichen Regularien der Mitgliederversammlung. Die Mitgliederzahl ist dank zahlreicher Neueintritte konstant geblieben, eine ausgeglichene Bilanz besteht. Den Band XXI des Jahrbuches Imprimatur konnte dessen Herausgeberin, Prof. Dr. Ute Schneider, vorstellen. Für die nächste Jahrestagung ist Bamberg vorgesehen. Bei der fälligen Neuwahl wurde der bisherige Vorstand einstimmig bestätigt. Das alles vollzog sich bereits in der USB, die an diesem Vormittag an der Reihe war, Zimelien ihres Altbestandes zu präsentieren. Vorläufer der erst 1920 gegründeten Bibliothek waren die seit 1602 bestehende Syndikatsbibliothek der Stadt, die Gymnasialbibliothek und die Sammlung des Ferdinand Franz Wallraf. Da die Handschriften schon seit den 30er Jahren dem Stadtarchiv zugewiesen sind, musste man sich auf eine Auswahl der vorhandenen über 2300 Frühdrucke beschränken, neben Werken von Kölner Druckern des 15. Jahrhunderts wie Ulrich Zell und von Vater und Sohn Koelhoff auch bekannte Werke wie die Schedelsche Weltchronik oder aus dem 17. Jahrhundert die Braun-Hogenbergschen Städtebücher. Direktor Wolfgang Schmitz selbst kommentierte diese Bände, unterstützt von Irene Bischof, die auch mit der späteren stark theologischen Buchproduktion im «hilligen Cöln« bekannt machte. Aus der für die Restaurierungen notwendigen Buchbinderwerkstatt, die über die vorzügliche historische Einbandsammlung Tietz verfügt, stammten Beispiele in alten Bindetechniken, die Silas Schmidt vorstellte.
Im Kölnischen Stadtmuseum war die Ausstellung Zwiesprache und Metamorphosen der in Köln tätigen Künstlerin Renate Friedländer zu sehen, die selbst anwesend war und unterstützt von Irmgard Mosler ihre Porträts und aquarellierten Stillleben erläuterte. Vorgeschaltet war aus aktuellem Anlass ein spannendes Referat von Dr. Max Plassmann über die Restaurierung des Schriftguts, das aus dem im März eingestürzten Stadtarchiv bisher zu 85 Prozent geborgenen ist. Einige schwer geschädigte Muster hatte er mitgebracht. Berichtet wurde über die bisherigen Maßnahmen und über bevorstehende Behandlungsprozesse. Abgesehen von den mechanischen Verletzungen und dem Pilzbefall ist in diesem besonderen Fall das gesamte Papier, ob als Einzelblatt oder als Buchblock, vom Zementstaub zu säubern. Hier muss ein geeignetes Verfahren noch gefunden werden.
Beim Festessen im Kolping Hotel empfingen die Teilnehmer nicht nur das neue Imprimatur, sondern auch eine ungewöhnliche Fülle von Gaben. Wir können hier nur die Stifter, denen nochmals gedankt sei, aufzählen: Universitäts- und Stadtbibliothek Köln (2 Schriften), Kölnische Bibliotheksgesellschaft (deren Jahresgabe 2008), Bibliophilen Gesellschaft Köln (2 Schriften), unsere Mitglieder Eberhard Köstler, Michael Then und Prof. Dr. Reinhard Wittmann (eine Teilauflage der Jubiläumsgabe des Verbands der Antiquare: die Erinnerungen des Antiquars Ziegert von 1916).
Der schon erwähnte Festvortrag im Senatssaal der Universität läutete (mitsamt den Glocken der vielen Kirchen) den dritten Tag ein (14.6.). Am Nachmittag aber ging es mit dem Bus nach Schloss Wahn, das bis unter das Dach mit der theaterwissenschaftlichen Sammlung der Universität gefüllt ist: Porträts und Szenenfotos, Bühnenbilder und Modelle, ganze Künstlernachlässe – alles Erdenkliche, was die Geschichte des deutschsprachigen Theaters seit dem 16. Jahrhundert zu dokumentieren vermag. Einst von Prof. Carl Niessen zusammengetragen, jetzt verwahrt und weitergeführt von Prof. Elmar Buck und seinem Mitarbeiter Dr. Gerald Köhler, Sohn unseres Mitglieds. Als weitere Schatzkammer erwies sich Burg Wissem in Troisdorf, die in gleicher Fülle das Kinderbuchmuseum beherbergt, das aus privaten Stiftungen hervorgegangen ist, seinerzeit entscheidend bereichert durch die Sammlung unseres Mitglieds Theodor Brüggemann. Frau Dr. Linsmann-Dege und ihr Mitarbeiter Bernhard Schmitz zeigten mit viel freudiger Hingabe die Exponate, sowohl Bücher wie Originalillustrationen. Auch hier ist für Nachschub gesorgt.
Die Exkursion am nächsten Tag (15.6.) setzte diese Besichtigungstour fort, mit einer Fahrt in das benachbarte Düsseldorf zum Goethe-Museum im Schloß Jägerhof, Heimstätte der Sammlung des Leipziger Verlegers Anton Kippenberg, einst ebenfalls Mitglied der Gesellschaft. Die Bilder und schriftlichen Zeugnisse in der ständigen Schau und in der Sonderausstellung Goethe und die Heilkunde vermochte Prof. Dr. Volkmar Hansen, Nachfolger unseres vormaligen Vorsitzenden Jörn Göres, auf sehr lebendige Weise nahe zu bringen. Ein sinnvoller Abschluss dieser Tagung, den am Abend noch ein kleiner Kreis im Kölner Weinlokal Brungs feierte.